Die Wanderjahre der Glasmalerin by Mindy L. Klasky

Die Wanderjahre der Glasmalerin by Mindy L. Klasky

Autor:Mindy L. Klasky
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2012-01-12T23:00:00+00:00


9

Mareka Octolaris lehnte den Kopf ans kühle Fenster. Regen rann in Streifen die Scheiben hinab, welche die Hitze aus ihrem geröteten Gesicht zogen. Sie schloss gegen die silberne Helligkeit die Augen und ermahnte sich, tief durchzuatmen, ein wenig des Feuers auszuatmen, das in ihrem Blut brannte. Der Octolarisnektar, den sie gerade gekostet hatte, war stark, fast zu stark.

Sie hatte den Trank kräftiger gebraut, als sie es in der Spinnengilde je gewagt hätte. Dort hätten Meister sie daran erinnert, dass sie nur ein Lehrling war, dass sie nicht das Können besaß, mit den größten Dosen verdünnten Octolarisgifts umzugehen. Aber hier, in Liantine, musste sie mit den mächtigsten Spinnen umgehen, die die Gilde je gekannt hatte.

Mareka hob den Kopf, und das Blut in ihren Wangen flammte heißer auf. Die zarte Stickerei ihres Armbandes versengte ihre Haut. Sie hatte beschlossen, das Symbol einer Spinnengilden-Gesellin anzulegen, wenn auch nur heimlich, unter ihrem formellen Gewand. Es war immerhin nicht ihre Schuld, dass sie von ihrer Prüfung ausgeschlossen worden war. Jerusha hatte das Sklavenmädchen in den Tod befohlen. Serenas Giftmord war nicht Marekas Werk.

Zitternd trat Mareka zum Kaminsims über der Feuerstelle hinüber. Ein Krug mit kaltem, klarem Wasser stand auf dem Holzregal. Mareka füllte ihren Tonbecher vorsichtig, um nur ja keinen Tropfen des kühlen Nass zu verschütten. Sie drehte den Becher, so dass sich all die perlmuttartige Flüssigkeit am Boden, die Überreste des Nektars, im Wasser lösten. Sie trank das Wasser und untersagte es sich, sich von den schimmernden, silberfarbenen Mustern, die der Nektar im Becher hinterlassen hatte, ablenken zu lassen. Sie spülte den Becher noch zwei Mal aus und schluckte gierig, um den Durst zu stillen, der in ihrer Kehle wütete.

Da. Die Macht des Nektars strahlte von ihrem Bauch aus wie ein Spinnennetz. Sie stellte den Becher neben den Krug und achtete darauf, ihn genau zu platzieren. Wenn sie nicht vorsichtig war, würde sie sich zu rasch bewegen. Sie würde den Becher vom Kaminsims ziehen und ihn auf den Boden fallen lasen. Sie konnte den Nektar kontrollieren. Sie konnte sich kontrollieren.

Sie hatte immerhin acht Jahre Lehrzeit in der Spinnengilde abgeschlossen.

Wenn Mareka erst Gesellin wäre, würde sie in allen feineren Nuancen des Spinnennektars ausgebildet. Sie würde das Spinnengift mit immer komplexeren Tränken mischen, so dass sie mehr tat, als sich nur gegen das gefährlich glänzende Gift zu immunisieren. Meister in der Spinnengilde konnten den Nektar benutzen, um ihren Herzschlag zu verlangsamen, um ihre Körper kalt und leblos erscheinen zu lassen. Sie konnten ihre Hauttemperatur anheben, so dass sie ohne Umhang durch Winternächte laufen und ohne Stiefel durch Schneeverwehungen gehen konnten. Sie konnten ihre Körperzyklen anpassen, so dass sie selbst entschieden, wann sie ein Kind gebaren, wann sie schreiende Zwillinge auf die Welt brachten.

Was auch immer Mareka hier in Liantine mit Octolarisnektar tat, war in Wahrheit unwichtig, versicherte der Lehrling sich. Es würde gewiss niemanden von der Gilde kümmern, dass sie die Regeln auf solch geringfügige Art gebrochen hatte. Es würde sie nicht kümmern, dass sie das Gift gemischt hatte, dass sie das Gebräu ohne Aufsicht verzehrt hatte.



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